
Ein Monument an den Hedonismus
Mercedes-AMG G 63
Man muss dieses Auto nicht gut finden. Selbst in einer Welt ohne Klimawandel, Fridays for Future und 1,5-Grad-Ziel gäbe es tausend gute Gründe gegen dieses Auto:
viel zu groß, viel zu laut, teurer als manches Einfamilienhaus auf dem Land …
Allerdings ist der Mercedes-AMG G 63 eines dieser Automobile, die sich jedweder Sinnfrage entziehen. Warum der G-Rex im Jahr 2022 noch existiert? Weil es geht. Und es geht so gut wie nie zuvor: Rekordverkaufszahlen, jahrelange Lieferfristen, Bestellstopp. Will man einen neuen G als Vorführwagen erwerben, muss man mit Aufschlägen auf den Listenpreis von mehreren zehntausend Euro rechnen. Selbst Gebrauchte liegen nach zwei Jahren und dreißig-, vierzigtausend Kilometern deutlich über dem Neupreis. Aber was macht den G Wagon, wie die US-Amerikaner ihn noch immer nennen, zu so einem gefragten Fahrzeug?

Der G ist das ultimative Statussymbol. Lieblingsspielzeug aller Rap-Künstler und Hauptdarsteller in ihren Musikvideos. Beverly-Hills-Cruiser für Schauspieler·innen und Plattenproduzent·innen. Auto der Wahl für Fußballstars und vulgärprominente Mitglieder der Familie Kardashian/Jenner. Wenn du dieses Gefährt siehst, weißt du einfach, dass es obszön viel Geld kostet. Und selbst, wenn du es nicht weißt, kannst du es auf jeden Fall erahnen. Eine Viertelmillion auf dem Bon ist kein Problem und mit dem bald erhältlichen limitierten G 63 4×4² steht beim Preis auch locker eine Drei vorn. Selbst als Diesel startet die G-Klasse immer sechsstellig.
Warum der G-Rex im Jahr 2022 noch existiert?
Weil es geht. Und es geht so gut wie nie zuvor.
Für dein Geld bekommst du allerdings auch einiges geboten. Es gibt wohl kein Auto bei der Marke mit dem Stern, das so mannigfaltige Optionen für individuelle Ausstattungen bietet. Die Auswahl an Lackfarben ist riesig und von wüstensand uni bis kupferorange magno wahnsinnig vielfältig. Für das green hell magno genannte Mattgrün an unserem G 63 legst du aber halt auch siebeneinhalb Riesen extra auf den Tisch. Für ca. 5000 Euro bekommst du 22 Zoll große Schmiederäder im AMG-Monoblock-Design der 90er. Und wenn du dann noch das Superior-Line-Interieur nimmst, das beim G 63 statt 18.000 immerhin nur gut 8000 Euro kostet, hast du Mercedes-Benz allein für Anstrich, Polster und Alufelgen schon den Preis eines fabrikneuen VW Golf überwiesen. Wow. Uni-Rot mit blauen Sitzen kann man theoretisch auch bestellen, wenn man das denn möchte, und dann (zumindest bei den Nicht-AMG-Versionen) das Ensemble ab Werk auch noch mit Offroad-Extras wie All-Terrain-Reifen und vergitterten Leuchten ausstatten. Bei der G-Klasse geht echt viel.
Und sie kann auch was. Auch wenn die wenigsten Menschen es ihrem Investment jemals antun würden, ins Gelände zu fahren; mit ordentlich Bodenfreiheit, Allradantrieb, drei Sperrdifferenzialen und — in jeder Motorisierung — massig Power, gibt es kaum Strecken, die eine G-Klasse nicht bewältigen kann. Selbst mit Serienbereifung, wie Fotograf @razkrog auf seinem Instagram-Account immer wieder dokumentiert. Wundern sollte einen das jedoch nicht, denn das war bei der Entwicklung vor gut 40 Jahren nun mal die Idee des Fahrzeugs. Den Militärdienst, den der auf dem Schöckl in Österreich — vom Mercedes-Benz-Marketing inzwischen weltberühmt gemacht — getestete Geländewagen weltweit absolviert, brauchen wir nicht zu erwähnen.
Ordentlich Bodenfreiheit, Allradantrieb, drei Sperrdifferenziale und massig Power: Es gibt kaum Strecken, die eine G-Klasse nicht bewältigen kann.
Ins Gelände habe ich den G 63 allerdings nicht ausgefahren. Bei siebeneinhalbtausend Euro für den Lack war mir das Risiko von Kratzern dann doch zu groß. Sowieso gehört dieser Wagen mit dem Vierliter-V8 und 585 PS eher auf befestigte Straßen. Und spätestens dort beantwortet sich dann doch die Frage nach dem Sinn dieses Fahrzeugs: Schon wenn man den Startknopf betätigt und aus den vier vor den Hinterreifen montierten, armdicken Auspuffrohren der Achtzylinder losbrummt, ist klar, dass der G 63 ein Monument an den Hedonismus ist. Hier geht es einzig und allein darum, Spaß zu haben. (Der Kaltstart morgens um sechs, der alle Nachbar·innen aufweckt, gehört übrigens zu meinem persönlichen Hedonismus dazu.)
Spätestens auf der Straße beantwortet sich die Frage nach dem Sinn dieses Fahrzeugs: Der G 63 ein Monument an den Hedonismus.

Zum Spaß trägt zusätzlich die Tatsache bei, dass dieses Automobil mit allen Regeln der Physik bricht. Etwas so Großes, so Kantiges dürfte sich nie im Leben so schnell in Bewegung versetzen. Wenn du das Gefühl hast, dass die Zeit immer schneller vergeht, dann liegt das wohl daran, dass es immer mehr G-Modelle gibt, die mit ihrem Drehmoment von bis zu 850 Nm und den fetten 295er Reifen die Erdrotation beschleunigen. Ich bin überzeugt, seitdem AMG die G-Klasse aufmotzt, dauern die Tage nur noch 23 Stunden. Auf der Autobahn wird jeder Millimeter Pedalweg in wahnsinnige Schubkraft umgesetzt. Dass sich schon bei 120 Kilometern in der Stunde der Wind so krass laut einen Weg um die komplett plane Windschutzscheibe zu bahnen versucht, stört einen nicht, denn der charakteristische Sound des AMG-Biturbo-V8 ist das, worauf dein Gehör in diesem Moment den Fokus legt. Was ein heißer Ofen der G 63 doch ist!
Wenn du das Gefühl hast, dass die Zeit immer schneller vergeht, dann liegt das wohl daran, dass es immer mehr G-Modelle gibt, die mit ihrem Drehmoment von bis zu 850 Nm und den fetten 295er Reifen die Erdrotation beschleunigen. Ich bin überzeugt, seitdem AMG die G-Klasse aufmotzt, dauern die Tage nur noch 23 Stunden.
Wenn du in ihm unterwegs bist, verstehst du auch, dass green hell magno zwar nicht die schönste Farbe für den Wagen ist, aber vielleicht eine der passendsten: Es dreht sich doch ohnehin jeder nach diesem Auto um. Warum dann nicht nochmal mit der Farbe einen drauflegen?
Und immer, wenn du diesen V8-Klang hörst und diese unwirkliche Beschleunigung spürst, gepaart mit dem Gefühl, dass du auch jederzeit das ordinäre Bauernvolk mit ihren schnöden 5ern und E-Klassen einfach plattfahren könntest, vergisst du auch, dass dir eine Viertelmillion Euro kein perfektes Auto kauft. Die ersten Fahrten in einer G-Klasse sind nervenzerreißend, weil man diese überbreiten Kotflügel und das auf der Hecktür angebrachte Reserverad einfach weder sehen noch einschätzen kann. Und warum Mercedes-Benz beim G-Modell nach drei Jahren statt auf das richtig gute MBUX-Infotainmentsystem immer noch auf das altbackene COMAND setzt, erschließt sich einem auch nicht so ganz.
Immerhin habe ich nach der Ausfahrt mit dem Mercedes-AMG G 63 endgültig verstanden, warum Menschen bereit sind, jahrelang auf ihr bestelltes Fahrzeug zu warten oder exorbitante Aufschläge auf den Listenpreis zu zahlen. Dieses Automobil befriedigt dich auf so vielen Ebenen, vom wundervoll verarbeiteten Innenraum, über das satte Klack beim Schließen der Türen, bis hin zum irrwitzigen Fahrgefühl. Den Sinn dieses Wagens hinterfrage ich zumindest nicht mehr. Wohl aber, ob es in dieser Welt eigentlich einen Platz für so viel kolossalischen Hedonismus gibt.
Den Sinn dieses Wagens hinterfrage ich zumindest nicht mehr. Wohl aber, ob es in dieser Welt eigentlich einen Platz für so viel kolossalischen Hedonismus gibt.

Mercedes-AMG G 63 fotografiert für KBM Motorfahrzeuge GmbH & Co. KG.
[Mercedes-AMG G 63 | Kraftstoffverbrauch kombiniert: 16,0 l/100 km | CO2-Emissionen kombiniert: 363 g/km | mb4.me/DAT-Leitfaden | mb4.me/WLTP]
Oktober 2022